Donnerstag, 3. Juni 2010, um 18.30 Uhr

Buchvorstellung und Gespräch mit

Alexander Reiser: Robbenjagd in Berlin

Peter-Weiss-Bibliothek, Hellersdorfer Promenade 24, 12627 Berlin

Alexander ReiserIn Berlin gibt es Robben bekanntlich nur im Zoo, Tierpark oder Zirkus. Man jagt sie nicht, aber wer nun denkt, Alexander Reiser hätte alles erfunden, irrt sich. Das zeigt schon der erste Blick ins Inhaltsverzeichnis: Am Anfang aller Dinge steht der Antrag; Der Reisepaß; Das Spätaussiedler-Wohnort-Gesetz.

Beschrieben wird das wahre Leben des »Spätaussiedlers«, sein langer, manchmal jahrelanger Hindernislauf über die Hürden der russischen Behörden und der deutschen Botschaft in Moskau, bis er alle Formulare ausgefüllt, alle Urkunden vorgelegt hat und nun endlich im Flugzeug sitzt, das ihn ins gelobte Land bringen wird. Dort, im Aufnahmelager und im Aussiedlerwohnheim, warten die nächsten Hürden. »Der deutsche Beamte ist wesentlich besser organisiert als seine Kollegen in Russland« stellt Alexander Reiser fest und schreibt weitere Geschichten: Von Pontius zu Pilatus; Sprachkurse, die man meiden sollte; Die unergründlichen Wege der Integration.

Alexander Reiser: Robbenjagd in BerlinReiser behält seinen Humor auch im »Labyrinth der Behördengänge«, er kann sich selbst ironisch von der Seite betrachten. Er hört und sieht, wie sich hier drei Welten und damit drei Sprachen begegnen: das Behördendeutsch und die sehr verschiedenen Alltagssprachen der Deutschen mit oder ohne »Migrationshintergrund«. Das ist der Boden, auf dem nach vielen wechselseitigen Mißverständnissen die Situationskomik blüht.

Das Thema ist unerschöpflich. Irgendwann hat der Autor mit Frau und Kind eine Wohnung in Berlin-Hellersdorf. Er hat eine Idee und reicht bei der zuständigen Stelle ein Projekt ein, um seinen Landsleuten bei der Integration zu helfen. Aus dem abgelehnten Projekt wird eine der schönsten Kurzgeschichten in Reisers Buch; sie heißt Der moderne Staatsdiener. Auch das Rätsel einer Robbenjagd in Berlin wird schließlich aufgelöst. Es handelt sich um ein zwar bewilligtes, aber leider etwas fehlgeschlagenes Integrationsprojekt, eine öffentliche Veranstaltung über Die Russlanddeutschen und die Schamanen.

Reisers heitere Geschichten halten Beobachtungen fest, die uns nicht fremd sind. Merkwürdigerweise spielt das alles in den Medien kaum eine Rolle. Man sollte darüber reden.  Heinz Peter 

Alexander Reiser, 1962 in Sibirien geboren, Seemann, Saisonarbeiter in einer Fischfabrik und beim Eisenbahnbau, Pelztierjäger und Ginsengsammler. Nach dem Studium der Journalistik an der Universität in Wladiwostok schrieb er dort für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Seit Ende der 90er Jahre lebt er in Berlin. Weiterbildung. 1999 bis 2006 Quartiersmanager in Marzahn Nord. Mitbegründer des Vereins der Aussiedler in Berlin Vision e.V. Seit 2006 freier Journalist.
Veröffentlichungen (Auswahl): Das alte Johannesevangelium (1996); Die Rückkehr des Odysseus (2003); Die Luftpumpe – Lustige Geschichten aus dem Leben der Aussiedler (2001); 99 Anekdoten von Aussiedlern (zusammen mit Reingold Schulz, 2005).

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